Die Welt ist ungerecht

Querfurt - 45 Kommunalpolitiker, Verwaltungsfachleute, Bürgermeister und interessierte Bürger waren der Einladung des CDU-Stadtverbandes Querfurt am 14. Februar gefolgt, um an der parteioffenen Informationsveranstaltung teilzunehmen, die vom Kreistagsabgeordneten Cornelius Nägler moderiert wurde.
Als Referent war der innenpolitische Sprecher derCDU-Landtagsfraktion und Oberbürgermeister der Stadt Naumburg, Curt Becker, eingeladen. Unter den Zuhörern befanden sich u.a. Landrat Dr. Tilo Heuer, Querfurts Bürgermeister Peter Kunert, Schraplaus Verwaltungschef Werner Zielesinski, Vitzenburgs Bürgermeister Bernhardt Taraba, Kreisverwaltungsdirektor Frank Bannert und zahlreiche andere namhafte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens aus Kommunalpolitik und Verwaltung.

Moderator Nägler erwähnte eingangs, dass er Anfragen aus dem Landkreis Sangerhausen erhalten habe, ob man Ziegelroda mit Landgrafroda aus dem Kreisverband Merseburg-Querfurt zu entlassen gedenke.
Andererseits gab es in der Vergangenheit öffentliche Meinungsäußerungen eines Landtagsabgeordneten, dem ein Abwandern von Gemeinden der Verwaltungsgemeinschaft Weitzschker-Weidatal in Richtung Landkreis Mansfelder Land real möglich und sinnvoll erscheine.

MdL Curt Becker bekräftigte in seinen Ausführungen, dass eine Gebiets-, Struktur- und Verwaltungsreform perspektivisch zwar notwendig sei, doch diese müsse nicht an der Basis, sondern zunächst "oben" - auf der Ebene der Ministerialbürokratie - zur Entflechtung des Behördendschungels durchgeführt und verwirklicht werden. Ziel sei eine "schlanke Verwaltung", eine Reduzierung der Personalkosten der öffentlichen Hand, ein vertretbarer Abbau der Sonderbehörden des Landes (Amt für Landwirtschaft und Flurerneuerung, Schulverwaltung, Bauverwaltung, Forstverwaltung, usw.) und der Zuordnung deren Kompetenzen zu den Landkreisen, eine Verbesserung der Strukturen der Verwaltungsgemeinschaften und eine Stärkung der Position der Städte und kleineren Gemeinden. Darüber hinaus gebe es Klärungsbedarf, ob überhaupt eine dreistufige Verwaltung ( mit Regierungspräsiden) weiterhin notwendig wäre.

Die Regierung hätte Leitbilder entwickelt, befürwortet und kürzlich veröffentlicht, die in der Endkonsequenz tatsächlich mehr verunsicheren als klären. Tatsächlich - so das offene Bekenntnis von OB Becker - wüßte der Pförtner des Innenministeriums in Magdeburg auch nicht mehr und nicht weniger als ein innenpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion! Das könne doch nicht in Ordnung sein - so die logische Schlußfolgerung.

Diskussionsredner Peter Kunert erklärte, er habe das Leitbild eingehend studiert und sei von Aussagen enttäuscht. Nach seiner Ansicht werden Regierungspräsidien nicht gebraucht, dafür aber stärkere Landkreise und gesunde sowie starke Gemeinden und Städte. Er habe den Eindruck, dass die Landesregierung auf keinen Fall ihre Landesbedientesten verunsichern und deren Arbeitspläätze ernsthaft gefährden möchte.

Den Bürger interessiere grundsätzlich nur ein möglichst geringer Verwaltungsaufwand, kurze Bearbeitungszeiten seiner Anliegen, schnelle und unbürokratische Entscheidungen. Die Schritte und den Weg dazu könne letztlich nur durch einen überparteilichen Konsens im Gespräch mit den Bürgern gefunden werden. Entscheidend sei, welche Leistung braucht der mündige Bürger und welche nimmt er in Anspruch. Gegenwärtig trage die Flut der einzuhaltenen Gesetze, Verordnungen und Vorschriften nicht unbedingt dazu bei, die "überverwaltete Verwaltungsbürokratie" spürbar abzubauen. Dazu bedürfte es schon eines größeren Reformwerkes, - u. a. auch einer zukünftigen großen Justiz- und Länderreform.

Landrat Dr. Heuer stellte notwendigen Handlungsbedarf sowohl der Landesregierung als auch der im Parlament vertretenen Parteien fest. 33 Beamte kommen derzeit auf 1.000 Einwohner des Landes, das sei absolut negative Spitze. Er plädierte dafür, dass zwei Regierungspräsidien bleiben sollten, da diese eine wichtige Mittlerrolle zwischen den Ministerien und den Landkreisen einnehmen.

Bestimmte Entscheidungen würden ohne Vorhandensein der Regierungspräsidien - so seine Erfahrung - vermutlich nie getroffen. Außerdem sei es enorm schwierig, die europäischen Förderprogramme auszuloten und ohne Gefahr möglicher Rückzahlungen in Anspruch zu nehmen. Heuer verwies auf die große wirtschaftliche Macht - erzielt durch hohes Gewerbesteueraufkommen - bestimmter Gemeinden im Umfeld von Merseburg, was zu einem unvertretbaren Ungleichgewicht in der Entwicklung führe.
Diese wirtschaftlichen Standortnachteile wären von der Masse der Städte und Landgemeinden nicht auszugleichen.

Diese Feststellung veranlaßte OB Curt Becker zu globalen Feststellungen: "Die Welt ist nun einmal ungerecht und sie wird es auch immer bleiben! Daran läßt sich nichts ändern!" und "Je mehr Gesetze, um so mehr Bürokratie!"

Weitere Diskussionredner gingen auf die unverantwortliche "Stimmungsmache" in bestimmten Gemeinden ein, auf erfolgversprechende Versuche zur systematischen Zerschlagung bewährter Strukturen und eines kommunalen Trinkwasserzweckverbandes. Im Rahmen der diskutierten Leitbilder komme die Problematik kommunaler Eigenbetriebe und kommunaler Zweckverbände genauso wenig vor wie notwendige flankierende Maßnahmen eines sozial verträglichen Personalabbaus. Andererseits würden Abfindungen in der Wirtschaft in Höhe von Millionen DM für einzelne Manager gezahlt.
W.B.

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