Das Schloß als Modell

Wiehe - Christine Mohr gehörte zu der Vorbereitungsgruppe von drei Frauen, die sich 1999 noch als ABM-Projektgruppe in Trägerschaft der Heureka sich mit den erforderlichen Vorleistungen zum modellhaften Nachbau des Schlosses Wiehe intensiv beschäftigten. Alle Frauen kamen aus artfremden Berufen, konnten auf dem 1. Arbeitsmarkt trotz mancher getätigter Umschulungen und Zweitberufe nicht vermittelt werden und waren bereits mehr oder weniger lang arbeitslos.

Zunächst gab es einhellig nach Verkündung der Aufgabenstellung den Ausruf: "Das schaffen wir nie!" Doch man packte die Sache schnell ernsthaft und engagiert an und allmählich begann das iin den Köpfen entstehende Schloß-Modellprojekt interessant zu werden und sogar Spaß zu machen. Da wurden Baupläne studiert, Entwürfe gezeichnet, umfangreiche Recherchen betrieben, fotografiert, vermessen, entworfen, Material zusammengestellt und beispielsweise in Ruhla Modell-Vorbilder angeschaut. Das Konzept war nach wenigen Wochen fertig und dann ging es mit personeller Verstärkung von weiteren Frauen richtig los. Zur Projektgruppe, eine sogenannte Strukturanpassung oder SMN-Maßnahme, kamen Frauen unterschiedlichsten Alters, die anfangs genauso hilflos reagierten wie ihre drei "Vorarbeiterinnen".

Neben Christine Mohr gehörten zur Gruppe Anne Veitenhansel, Helga Schönfeld, Doris Entschel, Monika Bauch, Doris Katzmarschyk, Irmgard Breuer, Angelika Wagenhaus, Marina Griebel, Karin Hartwig, Sybille Becker, Anette Demarschik, Margarete Rohr, Gabriele Haake, Heiderose Schreiter, Eveline Müller, Ruth Nitsche, Siegrid Hörig, Helga Gierloff, Karin Essler, Nicol Schwerdt, Birgit Nendel und Edeltraut Möbius.

Von Anbeginn ergab sich eine gute und konstruktive Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung Wiehe und auch Bürgermeister Willi Willomitzer. Es entstand in monatelanger Arbeit ein in allen Belangen handgearbeites Originalmodell vom Schloß Wiehe im Maßstab 1 : 25, dem nach den Willen vom Träger noch weitere markante Modelle nach großen Vorbildern aus dem Unstruttal folgen sollten. Nach der Abwicklung des Trägers übernahm die Volkshochschule (VHS) die Gruppe und die Maßnahme. In der Werkstatt der Gruppe entstanden im Laufe der Zeit unter geschickten Frauenhänden inzwischen meisterliche Details, nahm das Schloß allmählich Konturen, Gestalt und Farbe an. Allein 20.000 Stück Dachschindeln wurden hergestellt, das "gesandete" Plaster des Hofes erhielt seinen unverwechselbaren Original-Charakter. Die kunsthandwerklichen Verzierungen des Balkongeländers, beim Modell aus Plaste geformt, sind ein wahres Meisterstück, wie auch die Fenster und sonstigen Verzierungen echte Schmuckstücke sind. Kurzum, am fertigen Modell fehlt im Vergleich zum Original nichts, nicht einmal die Turmuhr, der nachgestaltete Innenhof, das Aufgangsportal und die Begrünung.

Bürgermeister Willomitzer sprach sich beim Werkstattbesuch vor einiger Zeit anerkennend über die Leistungen und die Baufortschritte am Modell aus. Wohl eine der letzten Aufgaben war der Abbau des fertigen Modells in der bisherigen Modell-Werkstatt, der Transport zum Rathaus und der Aufbau sowie die Aufstellung im Kellergewölbe des einstigen Heimatmuseums.

Am 30. April war der letzte Arbeitstag der Frauengruppe. Nach Darstellung der ABM-Frauen kamen sie sich doch etwas hilflos und verlassen vor und das Gefühl der Enttäuschung und Bitternis machte sich breit, denn es gab weder eine offizielle Verabschiedung noch ein abschließendes Dankeschön für das prächtige "Modell-Meisterstück", mit dem sie sich - auch ohne ein Namensschild in der Rankestadt Wiehe ein bleibendes Denkmal setzten und für kommende Aufgaben als "Frauen vom Fach" bestens empfahlen. Trotzdem hätte nach getaner Arbeit schon eine einzelne Rose als Präsent und einige wenige lobende Worte bereits genügt, um in den Herzen und Köpfen der betroffenen Frauen das Gefühl der Selbstbestätigung und Wertschätzung sowie der verdienten Anerkennung - und auch des möglichen künftigen Gebrauchtwerdens zu wecken bzw. wachzuhalten.

Das ist nicht mit großen Geldaufwendungen verbunden. Vielleicht läßt sich nachhinein der angerichtete Schaden doch noch begrenzen? W.B.

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