Zahlungsmoral und Rechtssicherheit

Wiehe - Auf Einladung von Wiehes Bürgermeister Willi Willomitzer, die vom Landrat des Kyffhäuserkreises Peter Hengstmann nachhaltig unterstützt wurde, weilte in den Abendstunden des 10. Mai Thüringens Justizminister Dr. Andreas Birkmann zu einem Bürgerforum in der Rankestadt. Der ehemalige Richter, spätere Staatssekretär und heutige Justizminister des Landes - seit 7 Monaten im Ministeramt - erwies sich vor ca. 100 interessierten Bürgern der Rankestadt als ein gradliniger und zugänglicher Gesprächspartner, der bei aller Fachkompetenz sichtlich um Offenheit, Akzeptanz und Bürgernähe bemüht war. Dabei hatten die Zuhörer durchaus nicht den Eindruck, dass Thüringens Justizminister vordergründig geneigt war, kritisch angesprochene Dinge unbedingt zu beschönigen oder vorhandene Probleme und Unzulänglichkeiten zu verniedlichen.

Der Minister wurde vom Bürgermeister, Landrat und vom MdL Detlef Braasch (CDU) herzlich begrüßt. Alle sprachen die Erwartung aus, dass der Justizminister auch in Zukunft den Weg nach Wiehe finden möchte. Landrat Hengstermann steuerte eingangs die Bemerkung bei, man sei in einer Stadt, die zwar auch ihre spezifischen Probleme habe, dennoch aber grundsätzlich von einer optimstischen Grundeinstellung in Entwicklungsfragen geprägt sei und damit insgesamt gut fahre. Anderswo im Kyffhäuserkreis wäre das leider nicht so, überwiege Pessimismus und Resignation, was sich stagnierend auf die wirtschaftliche Entwicklung und wenig positiv auf die Lebensqualität der Bürger auswirke.

Bürgermeister Willomitzer gab dem Minister drei Themenschwerpunkte vor, über die - ohne Vorbereitung und (vergessene) Lesebrille - der Minister Dr. Birkmann freistehend in ausführlicher Form referierte.

Thema Nr. 1 hieß "Zahlungsmoral". Hier stellte der Justizminister u.a. fest, das im Freistaat das Handwerk und mittelständische Unternehmen zunehmend mit Erfolg als Motor der Wirtschaft wirke und auch rund 80 Prozent der Arbeitsplätze stelle. Allerdings bezifferte er unter Berufung auf IHK-Statistiken aus Erfurt die gegenwärtigen Außenstände der Handwerksbetriebe mit etwa 130 Millionen DM als unverantwortlich hoch und für nicht wenige Unternehmen mangels Eigenkapital als existenzgefährdend. Sehr ausführlich im Detail erläuterte und kommentierte der Justizminister die ab 01.05. in Kraft getretene gesetzliche Regelung zur Verbesserung einer beschleunigten Zahlung, wobei nach seinen Ermessen das Bundesgesetz zwar eine Verbesserung der Situation erwarten ließe, dennoch aber noch nicht weit genug greife.

Thema Nr. 2 beschäftigte sich mit dem Komplex "Innere Sicherheit, Kriminalitätsentwicklung und Strafverfolgung". Nach den Worten des Ministers sei der Anspruch auf ausreichende Sicherheit und Schutz der Bürger und ihres privaten Eigentums unbestritten. Auch in Thüringen habe die Zahl der Gewalttaten leider zugenommen, sei die Gewaltbereitschaft insbesondere unter Heranwachsenden und jungen Menschen gestiegen. Grundsätzlich kein Platz im Land sei für extremistische Gewalttäter von links oder rechts. Er persönlich sei froh, dass im Land Thüringen flächendeckend das neue Unterrichtsfach "Rechtskunde" im Schuljahr 2000/2001 eingeführt werde und u.a. auch die Mitarbeiter der Justiz und der Amtsgerichte künftig in die Schulen gehen. Es gelte mehr denn je die Ursachen von Kriminalität aufzudecken, deren Wurzeln freizulegen und systematisch das Problem anzugehen. Notwendig sei bei Straftaten eine schnelle Ermittlung, Strafverfolgung und Aburteilung überführter Täter. Allerdings - so einschränkend - sind entscheidende Veränderungen in relativ vielen Fragen, die die Arbeit der Polizei und Justiz im Land betreffen, durch die Unbeweglichkeit der Regierungskoalition in Berlin und der Bundes-Justizministerin vorerst leider nicht zu erwarten.

Der 3. Themenkomplex war schnell abgehandelt. Hierbei ging es um das noch ungeklärte Rechtsproblem, wie Privateigentümer entschädigt werden, deren Grundstücke sowie Grund und Boden einst in die öffentliche Hand übereignet worden war und nunmehr öffentlich bzw. gesellschaftlich genutzt wird. Mit diesen Fragen beschäftigen sich zur Zeit Arbeitsgruppen, - so der Minister. Eine abschließende Lösung und Entscheidung im Interesse der Privateigentümer wird zwar angestrebt, steht aber noch immer aus.

Zahlreiche Bürger von Wiehe nutzten in der anschließenden Diskussionsrunde die einmalige Gelegenheit, um in sachlicher Form persönliche Fragen und Probleme in bestimmten Rechts- und Sicherheitsfragen an "den richtigen Fachmann in der richtigen Position " zu bringen. Möglicherweise waren die Antworten des Ministerrs für die Fragesteller nicht immer umfassend befriedigend, doch sie waren realistisch und ließen erkennen, dass in bestimmten Fragen eine Reformbedürftigkeit erkannt und befürwortet wird. Nur der Weg dahin durch alle politischen Parteien und Instanzen ist sehr mühsam und zeitaufwendig! W.B.

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